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Praxistipp: Treu und Glauben in der Praxis

Team Datenschutz • Apr. 19, 2019

Praxistipp Datenschutz 04|2019

„Verarbeitung nach Treu und Glauben“ führt bei Datenschutzbeauftragten und anderen, die sich mit Datenschutz beschäftigen, regelmäßig zu Ratlosigkeit. Was bedeutet der Begriff? Etwa „Ich bin treu und das darf man mir ruhig glauben“? Oder steckt da die gute alte Hanse dahinter mit der „ehrbaren Kaufmannschaft“? Einige Überlegungen und praktische Tipps zum Grundsatz von Treu und Glauben.


Praxisfall


Im Unternehmen sollen die mobilen Arbeitsplätze besser in die interne und externe Kommunikation eingebunden werden. Zu diesem Zweck soll ein System für Videokonferenzen eingeführt werden. Welches, ist noch nicht entschieden, dazu soll unter anderem eine datenschutzrechtliche Analyse beitragen. Möglich sind die Plattform Teams aus dem Paket Office 365 oder Microsoft 365, doch auch Lösungen anderer Anbieter kommen in Frage. Zunächst sollen die Grundsätze der Datenverarbeitung, und hier nun der Grundsatz von Treu und Glauben, untersucht werden.


Gut zu wissen


In der DSGVO heißt es, personenbezogene Daten müssten „nach Treu und Glauben“ verarbeitet werden. Was ist darunter zu verstehen? „Treue“ bedeutet in etwa Zuverlässigkeit und Rücksichtnahme, „Glauben" bezeichnet das eigene Vertrauen in die „Treue" des anderen. Bei der Auslegung von Treu und Glauben spielt auch die „Verkehrssitte“ eine Rolle, ebenso ist die „Redlichkeit“ zu beachten. Im Geschäftsverkehr soll man nach dem Grundsatz von Treu und Glauben von der „Redlichkeit“ ausgehen können. Dieser Grundsatz hat also viel mit Vertrauen zu tun, auch mit dem, was unter normalen Umständen „erwartet“ werden kann, womit man also rechnen muss.


Ein Beispiel


Was bedeutet das beim Datenschutz? Nehmen wir als Beispiel die Überwachung öffentlicher oder öffentlich zugänglicher Bereiche. Dass die Videoüberwachung eine teilweise erhebliche Beeinträchtigung der Grundrechte und Grundfreiheiten betroffener Personen darstellt, wurde in zahlreichen Urteilen, auch Grundsatzurteilen, festgestellt (u. a. vom BVerfG, BAG, BGH usw.) Der Tenor hinter all diesen Urteilen ist, kurz gesagt, die Einschränkung im Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Denn: Wer sich im Aufzeichnungsbereich einer Videokamera befindet, verhält sich anders, als er oder sie es sonst tun würde.


Neues Recht, neue Voraussetzungen


Im bis zum 24. Mai 2018 rechtsgültigen Bundes-atenschutzgesetz war für die Videoüberwachung eine eigene Regelung getroffen. Diese fehlt in der DSGVO. Dennoch kann Videoüberwachung stattfinden, und zwar dann, wenn unter anderem die Grundsätze zur Verarbeitung personenbezogener Daten eingehalten werden. Dass der Gesetzgeber Videoüberwachung gleichwohl für eine besonders zu prüfende Verarbeitung hält, wird in der DSGVO im Zusammenhang mit der Datenschutz-Folgenabschätzung deutlich: Eine „systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche“ hat einer Datenschutz-Folgenabschätzung zu unterliegen. Das war früher die grundsätzliche Anforderung einer Vorab- kontrolle, die mittlerweile durch die Datenschutz-Folgenabschätzung abgelöst wurde.


Treu und Glauben am Beispiel der Videoüberwachung


Viele empfinden Videoüberwachung in der Tat als einen Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. Wie stark, hängt unter anderem davon ab, unter welchen Umständen die Videoüberwachung konkret stattfindet.


Wo wir Kameras akzeptieren


In Bereichen, die im Allgemeinen einer erhöhten Gefährdung unterliegen, wie beispielsweise Bahnhöfe und deren Vorplätze oder Bereiche eines Fußballstadions, rechnen Menschen eher mit einer Videoüberwachung als anderswo und akzeptieren diese auch. Viele erwarten sie sogar – ihnen vermitteln optisch-elektronische Einrichtungen ein subjektives Gefühl erhöhter Sicherheit. Subjektiv, da die Erfahrung lehrt, dass allein durch das Vorhandensein einer Videoüberwachung keine objektive Sicherheit besteht. Allenfalls könnten Gelegenheitstäter von Übergriffen absehen, wenn sie wissen, dass sie bei ihren Taten gefilmt und im Zuge der Strafverfolgung wahrscheinlicher identifiziert werden.


Treu und Glauben in der Praxis


Wo wir Kameras nicht erwarten: Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen Videoüberwachung eher nicht erwartet und auch nicht akzeptiert wird. Dazu gehören alle Lebensbereiche, in denen private Tätigkeiten überwiegen. Als Beispiel sei der Umkleidebereich eines Freizeitbades genannt. Obwohl es dort zu gelegentlichen Diebstählen kommt, dürfte hier eine Videoüberwachung auf wenig bis keine Gegenliebe stoßen. Das ist wichtig, wenn die Verarbeitung auf den Grundsatz von Treu und Glauben hin geprüft wird.


Vorstellungsgespräch per Video


Ein weiteres Beispiel. Auch bei einem Vorstellungsgespräch dürfte im Jahr 2019 die Videokonferenz noch nicht üblich sein. Sicher gibt es Branchen, in denen das schon fast zur Tagesordnung gehört. Jemand, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Moderator bewirbt, wird nicht allzu überrascht sein, wenn zumindest ein Teil des Einstellungsverfahrens per Videokonferenz stattfindet. In den meisten anderen Branchen gilt: Solch ein Vorgehen sollte angekündigt werden. Sonst kommt das Ganze für Bewerber überraschend – und könnte auf den Vorwurf der Diskriminierung hinauslaufen. Ein abgewiesener Bewerber könnte begründen, er sei von dem Ansinnen eines Vorstellungsgesprächs per Videokonferenz überrascht worden. Zwar habe er zugestimmt, da er die Stelle eben haben wollte, sei allerdings in der Folge so nervös gewesen, dass es seine Chancen auf die Stelle erheblich beeinträchtigt habe. Seine Forderung: drei Monatsgehälter Schadenersatz.



Immer Einzelfallentscheidungen


Ob der Grundsatz von Treu und Glauben gewahrt ist, wird immer eine Einzelfallentscheidung sein. Dabei sind vielfältige Faktoren zu beachten. Die Frage, ob ein Vorgehen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten üblich und daher zu erwarten sei, wird dabei immer eine Rolle spielen. Daher bietet es sich an, bei Zweifeln an der Frage, ob der Grundsatz von

Treu und Glauben gewahrt wurde, einige Fragen zu überprüfen.


Mögliche zu prüfende Fragen


- Ist das Vorgehen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten üblich? Kann die betroffene Person mit diesem Vorgehen rechnen?

- Wenn nicht, wird das Vorgehen zumindest so angekündigt, dass die betroffene Person über die spezielle Verbeitung informiert ist?

- Gibt es für betroffene Personen eine Alternative, die zwar technisch anders und möglicherweise aufwändiger, jedoch gängiger ist und daher eher dem Grundsatz von Treu und Glauben entspricht?

- Könnte der betroffenen Person ein Nachteil entstehen, der möglicherweise als Diskriminierung ausgelegt werden kann


Fazit


Unsicherheiten, ob bei der Verarbeitung personenbezogener Daten der Grundsatz von Treu und Glauben eingehalten wird, wird es immer wieder geben. Dabei wird stets eine Rolle spielen, ob ein Vorgehen üblich ist – also zu erwarten war.



Hier gibt es den Praxistipp als kostenlosen PDF-Download:

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